Peter Lorre: Augen schauen Dich an – E wie Erfolg

F.P.1 antwortet nicht, D 1932, Karl Hartl

Besuch in Santa Monica. Hollywood, im Juni 1935.

Wir hatten uns den ganzen Tag frei­ gehalten; aber es stellte sich als recht zwecklos heraus. Peter Lorre zu inter­viewen war einfach unmöglich. Er saß in der Sonne in seinem bezaubernden Häuschen und lachte sich halb tot, als ich ihm meine Absicht erzählte.

“Was soll ich Ihnen denn sagen, wo ich doch selbst keine Ahnung habe!” sagte er vergnügt und schickte sich an, Tennis zu spielen. “Oder wollen Sie mich am Ende Duzen? Wollen Sie mich fragen, was ich gespielt habe, wo ich doch noch nichts in Hollywood getan habe?”

Daran war natürlich etwas Wahres. Peter Lorre ist mit einem fetten Fünf­jahresvertrag von der Columbia geholt worden – und seitdem sitzt er hier. Frank Capra hat Lorre auf den M-Er­folg hin, der noch immer nachwirkt, ver­pflichtet; aber das Programm der Film­gesellschaft war bereits fertig, als der seltsame Peter ankam – und nun sitzt er also da und wartet. Inzwischen hat er eine ungeheure Pu­blicity. Sein erster englischer Streifen, Der Mann, der zuviel wußte, von Hitchcock inszeniert, läuft unentwegt in New York und tausend News nehmen täglich von dem geheimnisvollen Peter Lorre Notiz. Einmal hat ihm der Presse­ Manager mitten auf der Straße einen kleinen Hund in die Hand gedrückt. Das Bild von ihm war am nächsten Tage in allen Blättern: Lorre rettet kleinen Hung vor dem Auto! Als müßte man erst beweisen, daß Peter kein M-Mörder wäre, sondern ein tierliebender Kerl… Gute Zeit für Lorre, sich vom Lon­doner Englisch auf Hollywooder Eng­lisch umzustellen. Denn alle Gerüchte über ihn und seine Pläne mit Charlie Chaplin sind natürlich reichlich ver­früht. Peter und Charlie sind zwar innig befreundet; aber es ist wohl nur ein Pressemärchen, daß Lorre unter Chaplins Regie die “Geschichten des braven Soldaten Schwejk” spielen wird…

“Wenn Sie nach Wien schreiben, so können Sie mitteilen, daß ich im Som­mer, wenn ich wieder einen Film bei der British Gaumont drehe, nach Hause vorbeikommen werde!” ruft er mir zu, während er bereits mit seinem Freund Franz Waxmann, dem Komponisten der ersten Franziska-Gaal-Filme und des Films Frankensteins Rückkehr, auf dem Tennisplatz umherläuft. So erfährt man wenigstens, daß er wiederum aus­geliehen wird. Auch seine Gattin, die in Wien gut bekannte Schauspielerin Cäcilie Lvovsky, verrät nicht mehr über Peters Pläne, Absichten und Gedanken – aus einem Interview wird nichts. Die Bälle fliegen hin- und herüber. Lorre springt ihnen nach, als müßte er für seine nächste Rolle viele Kilo ab­nehmen. Währenddessen blättern wir in einer Zeitung, in der zu lesen steht, Peter Lorre wäre an die Metro “ausge­liehen” und spiele unter der Regie des deutschen Regisseurs Karl Freund einen sogenannten Mystery-Film, der Mad Love (Irsinnige Liebe) betitelt ist. “Mr. Lorre, stimmt diese Nachricht?” rufen wir ihm zu. “Gewiß, sie stimmt. Alles, was in der Zeitung über mich steht, stimmt!” schreit er zurück, während er einem Ball in die Luft nachspringt. Unverrichteter Sache müssen wir nach Hollywood zurück. Vielleicht, daß man von seinen vielen Freunden oder vom Pressemanager der Metro mehr er­fährt – daß es dann nicht ganz so zuverlässig ist, was man zu hören be­kommt. Und leise denkt man bei sich: Was werden die Amerikaner erst für eine Reklame machen, wenn Lorre erst arbeitet, wo sie schon jetzt sich über­schlagen, wo er nichtstuend in einem Häuschen sitzt und nur hin und wieder einen Tennissatz gegen Waxmann oder Billie Wilder verliert…

Inzwischen erhalten wir kurz vor Redaktionsschluß ein Kabel aus Holly­wood, in dem uns der große persönliche Erfolg Peter Lorres in dem Film Mad Love bei der Vorschau des Films mit­ geteilt wird. Besonders Lorres Maske und unheimliches Spiel – der Film ist nach der Novelle “Orlac’s Hände” gedreht, die schon einmal stumm mit Conrad Veidt in der Hauptrolle verfilmt wurde – lobt die erste Presse Hollywoods in den höchsten Tönen. Nun ist auch schon Peter Lorres nächste Arbeit entschieden. Josef von Sternberg, Marlene Dietrichs Entdecker und Regisseur, ist von der Columbia verpflichtet worden, Dostojewskys “Schuld und Sühne” mit Lorre in der Hauptrolle zu verfilmen.

Mein Film: 499, Seite 19 und Seite 20, Wien: 1935.